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Ressourceneffizienz durch Digitalisierung

Ressourceneffizienz durch Digitalisierung

Chancen und Potenziale für KMU

Ressourceneffizienz durch die digitale Transformation der Industrie in KMU – der Titel ist etwas zu sperrig, um wirklich publikumswirksam zu sein. Dennoch bin ich froh, dass dieser Zusammenhang endlich thematisiert wird. Denn unter eben diesem Titel steht eine vom Umweltministerium Baden-Württemberg gemeinsam mit dem VDI Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE), dem Wirtschaftsministerium Hessen und der Umweltministerien Bayern und Rheinland-Pfalz beauftragten Studie, über die am 14.12.2016 im Schloss Mannheim berichtet wurde.

Ressourceneffizienz durch Digitalisierung?

Worin aber besteht eigentlich dieser Zusammenhang? Wie Professor Thomas Bauernhansl vom Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Universität Stuttgart ausführt, sind es zwei wesentliche Ansatzpunkte, wie wir mittels Prinzipien der digitalen Transformation wertvolle Ressourcen einsparen können:

  1. Hocheffiziente Produktion: Die Entkopplung des Zuwachses an Wohlstand vom dafür benötigten Ressourcenverbrauch setzt voraus, dass Produktionsfaktoren verlustfrei in Produkte überführt werden und diese komplett im Wertschöpfungssystem verbleiben. Neudeutsch spricht man hier von Zero Waste. Das Augenmerk auf Abfall verführt allerdings zu dem Trugschluss, es gehe nur um produktionsintegrierten Umweltschutz. Bedeutende Kosteneinsparungen ergeben sich indessen, indem wertvolle Rohstoffe und Halbzeuge nicht verschwendet oder dem Wirtschaftskreislauf entzogen werden. Inzwischen lehrt uns die Bionik, wie natürliche Systeme nach Milliarden von Jahren der Evolution Kaskaden und Kreisläufe nutzen.
  2. Cyber-physikalische Systeme: Hinter diesem futuristisch anmutenden Begriff verbirgt sich schlichtweg, dass Produkte und Dienstleistungen heutzutage gleichermaßen aus Hard- und Software bestehen. Und die Virtualisierung durch Software ermöglicht individualisierte Lösungen (Losgröße Eins), die nicht im Gegensatz zu den Economies of Scale stehen. Das Einsparpotenzial besteht in den Komplexitätskosten, bei denen eine Reduzierung von 60—70% möglich erscheint.

Zugegeben: das ist noch immer eine ziemlich Flughöhe. Jüngst hatte ich mich noch beschwert, dass Digitalisierung in Deutschland zu technokratisch gedacht wird. Hier hingegen prägten angenehm handlungsorientierte Beiträge und Workshops die Tagung. Im Sinne einer Nachlese möchte ich meine persönlichen Highlights als vier Denkanstöße für KMUs zusammenfassen.

Anfangen ist besser als Verpassen

Thomas Rinn von Roland Berger formuliert in seinem Plädoyer, was uns von einem souveränen Umgang mit dem Wandel abhält:

  • Kompetenzdefizit: Es fehlt nicht nur an Erfahrungen mit der Technologie an sich, sondern auch mit Transformationsprozessen (Business Model Innovation) im Allgemeinen.
  • Denkhaltung: Perfektionismus und die Furcht, Fehler zu machen stehen dem unternehmerischen Wagnis im Weg. Das Digital Mindset hingegen orientiert sich konsequent an Kundenbedürfnissen. Es ist eben nicht auf die typisch deutsche ingenieursmäßige 100%-Lösung ausgerichtet.
  • Unternehmenskultur: Eng verknüpft damit ist die Schaffung innovationsförderlicher Rahmenbedingungen. Wenn Werte zu Dogmen werden, Strategien zu Scheuklappen, dann sind Organisationen verkrustet und eben nicht agil (Dynamic of Failure).

Die zentrale Aufgabe der Digital Leadership ist also mitnichten, eine Technologie zu meistern, sondern ein Umfeld und Bedingungen zu schaffen, die Menschen im Unternehmen anregen, etwas Neues anzufangen.

Kunden Selber Machen Lassen

Die Herausforderung der Losgröße Eins beschreibt eindrucksvoll Dirk Breitkreuz von WETROPA. Der Hersteller von Schaumstoffverpackungslösungen sah seine Wettbewerbsfähigkeit bei individualisierter Produktgestaltung durch unverhältnismäßig hohe Konstruktionskosten bedroht. Durch die Zusammenarbeit mit einem Softwarespezialisten konnten die Erfassung und Konstruktion maßgeschneiderter Systeme zur Werkzeugaufbewahrung weitgehend auf die Kundenseite verlagert werden. Der Kunde nutzt ein Smartphone, um sein Werkzeug fotografisch zu erfassen und dann in einer App das gewünschte Layout zu konfigurieren. Durch automatisierte Schnittstellen wird der Auftrag dann direkt an die Maschinen gesendet.

Auch bei diesem Beitrag steht die notwendige Fehlerkultur im Vordergrund, denn ausgehend von einem ersten schnellen, spielerischen Prototypen (Minimum Viable Product) entstand mit myFoam.net eine neue Plattform, auf die WETROPA mittlerweile weitere Partner einlädt.

Mehr als Jeans und lange Haare

Wie grundsätzlich anders die Digital Natives an den Wandel herangehen, schildert Werner Landhäußer von Mader. Der Druckluftspezialist beschreibt, wie der – für die Energieeffizienz von produzierenden Unternehmen neuralgische – Bereich der Leckageortung durch digitale Services transformiert werden konnte. Nicht nur, dass die weitgehend papierlose Bearbeitung Arbeitskosten einspart, die entscheiderorientierte Ergebnisaufbereitung in einer App erhöht zudem die Umsetzungsrate. Bei geschätzten 50% Einsparpotenzial im Druckluftbereich ist der unmittelbare Zusammenhang von Digitalisierung und ressourcenschonendem Umgang mit wertvollen Produktionsfaktoren offenkundig.

Dennoch beschäftigt Landhäußer die Frage, wie sich dieser Wandel des Geschäftsmodells noch weiter denken lässt. Selbstironisch stellt er fest, dass anders Denken mehr bedeutet, als ein Revoluzzer zu sein – und dass nun die erfahrenen Manager in seinem Unternehmen in ein produktives Miteinander mit den Digital Natives eintreten müssen.

Big Data, Smart Data?

Roland Kreitmeier von Siemens wirft die Frage auf, wie Unternehmen mit Blick auf die digitale Transformation ihre Mitarbeiter weiterentwickeln und sogar den gesellschaftlichen Wandel mitgestalten können. Auf den ersten Blick scheint ja ein Widerspruch zu bestehen zwischen der kundenspezifischen Individualisierung von Produkten auf der einen Seite und der Automatisierung von Arbeit in der Produktion auf der anderen Seite. Auch die zunehmende Nutzung der Innovationskraft externer Partnerschaften wägt er ab: Was ist mit den eigenen Mitarbeitern?

Dass Roboter und Software mitnichten die Mitarbeiter im Unternehmen komplett ersetzen sollen und können, begründet Kreitmeier mit dem Unterschied zwischen Big Data und Smart Data. Im Maschinen- und Anlagenbau kann beispielsweise ein digitaler Zwilling das Know-how über Gebrauch, Wartung und Instandhaltung sammeln. Während das Dargebot an Daten im Zuge der digitalen Transformation also weiter sehr stark steigen wird, besteht der kritische Bedarf nunmehr in deren Analyse und Verwertung mit Blick auf wertschöpfende Anwendungen. Bevor wir hier zu programmierbaren Routinen gelangen, wird noch viel Komplexitätsbewältigung durch erfahrene Mitarbeiter zu leisten sein. Demnach setzen Smart Data zunächst smarte Mitarbeiter voraus, damit der digitale Wandel nicht zur vertanen Chance wird.

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Datum: Dez 19Autor: Ivo Mersiowsky
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